Ausstellung im Angermuseum Erfurter Stadtgoldschmiedin macht Schmuck aus Müll
Hauptinhalt
Aus 13 Bewerber*Innen ist die mexikanische Schmuckkünstlerin Sarah Ordóñez im vergangenen Jahr von einer Jury als Stadtgoldschmiedin Erfurts ausgewählt worden. Im Rahmen des dreimonatigen Stipendiums konnte sie vom 2. Mai bis zum 31. Juli 2022 die städtischen Künstlerwerkstätten nutzen. Zum Ende ihres Aufenthalts in Thüringen präsentiert eine Ausstellung im Angermuseum Erfurt ihre Arbeiten, die oft aus Blechdosen, Draht oder anderen ungewöhnlichen Materialien entstehen.

Unprätentiös, geerdet und mit einer großen Ruhe betrachtet Sarah Ordóñez den Kupferdraht, der vor ihr liegt. Bis vor Kurzem war das noch ein funktionierender Akku. Jetzt wickelt sie das meterlange Material ab, schneidet es in Teile und biegt es sorgsam zu Blumenformen. Motiv für Motiv wird verkettet und ergibt eine lange Blütenschnur.
Eine Kette? "Etwas kompliziert zu tragen, aber ja", meint sie lachend. "Ich mag die Idee, das benutzte Sachen wiederverwendet werden." Sie erzählt von der Suche nach dem perfekten Material, dem Besonderen, dem Einzigartigen. Dinge, die sie spontan irgendwo findet – es kann auch im Müll sein – und denen sie später eine neue Form und vielleicht auch einen tieferen Sinn verleihen wird.
Papier ist so gut wie Gold
"Ich denke, der Wert darf nicht vom Material her kommen. Klar, da gibt es schon wunderbare Materialien, nehmen wir Gold. Fantastisch! Aber Papier ist genauso gut. Und viel demokratischer – für alle erhältlich, überall zu finden, man kann eine Menge daraus machen." Und genau das ist ihre Philosophie, die Welt zu betrachten, mit Gegenständen zu arbeiten, den Blick zu schulen.
Erfurt als inspirierender Ort
Studiert hat Sarah Ordóñez in Florenz, klassisches Schmuckhandwerk von A bis Z. Dort habe sie auch die moderne Perspektive entwickelt, erzählt sie: Ideen, die zu Gegenständen werden, die aber auch eine Art Konzeptkunst sind. Diese Gedanken treiben sie um, wenn sie in den Kunstwerkstätten arbeitet und auch, wenn sie den Blick von ihrer Werkbank nach draußen schweifen lässt.
"Manchmal", so Ordóñez, "ist hier eine unendliche Ruhe, keine Geräusche, nur ein einsamer Hase hoppelt vorbei." Auch wenn die Wiese vor dem Fenster derzeit alles andere als grün ist, scheint es für sie eine Oase des Künstlerglücks zu sein. "So schön, selbst an den Wochenenden bin ich deshalb hier gewesen."
An ihrer Werkbank lässt die Künstlerin Schmuckgegenstände entstehen, aus flach gewalzten Blechdosen, aus Draht, Textilien und Fäden, mit denen sie Metallteile verbindet. Das Material zeige ihr schon den Weg, meint sie gelassen, was man damit tun könne und was nicht.
Sie greift zu ihrem Werkzeug. Aus einem alten Stahlrohr entstehen abstrakte Blütenkelche. Sie fräst die Ränder, die sie zuvor eingeschnitten hat, glättet die daraus entstandenen Blütenblätter und trägt eine blaue Farbe auf: Emaille, die später durch hohe Temperaturen entstehen wird. Vielleicht wird es ein Ring, vielleicht eine Kette – Sarah Ordóñez ist da unentschlossen und gelassen. "Alles ergibt sich." Das Material, ihre Kreativität – alles ein Prozess mit offenem Ausgang.
Ich liebe Kreise, das sind einfach gute Formen für mich.
Von Mexiko nach Thüringen
"Schmuck gibt es schon ewig, er kann kraftvoll sein und gleichzeitig so zerbrechlich. Aber er muss nicht unbedingt einen Nutzen haben: Du trägst ihn, weil du ihn tragen willst." Sie selbst trägt übrigens kaum Schmuck. Ein paar Sammlerstücke habe sie von Künstlern, die sie verehre. Und von Freunden, die auch Schmuckgestalter sind. "Schmuck kann ein Statement sein, ein Zeichen für Kraft, kann viele Dinge ausdrücken."
Was sie fasziniert? "Das Reisen an andere Plätze. Das Träumen. Und die Vorstellung, in unterschiedliche Umwelten, in Natur einzutauchen. Ich denke, das ist gut." Von ihrer Heimat Mexiko sei sie stark geprägt, durch Farben und Pflanzen, eine üppige, aber auch sensible Tierwelt, die sie sehr beeinflusse. "Über die Sprache des Schmucks ist man verbunden damit – ohne viele Worte.“
Was Mandy Rasch, die Leiterin der Kunstwerkstätten von Erfurt, an dieser Künstlerin begeistert? Zum einen sei es die emphatische, sensible Art, zum anderen, dass sie "diese Tradition des Handwerks aus Mexiko mitbringt und neu formiert, um mit Metall oder anderen Materialien zu arbeiten."
Materialien sollen Geschichten erzählen und schon ein Leben gehabt haben.
Sarah Ordóñez macht Abfälle zu Schmuck
Gemeinsam hätten sie oft Ausschau nach Metallabfällen, ausgesonderten Materialien gehalten, diese gesucht und gefunden, um daraus etwas Neues zu schaffen: "Sie näht und stickt auf ihre Art, und die Grundlage ist nicht unbedingt Stoff, sondern Stahl", erklärt Rasch. "Also es ist die Blechdose, die sie flach walzt und die wiederum die Basis darstellt, wo Löcher gebohrt werden, der Faden seinen Weg findet."
Die Zeit sei viel zu schnell vergangen, meint Sarah Ordóñez lächelnd. Jetzt wird sie sich langsam von Erfurt verabschieden, zunächst nach Mexiko zurückkehren, um sich dann vielleicht doch ein Künstlerkollektiv in Europa zu suchen, mit dem sie gemeinsam arbeiten kann. Doch jetzt freut sie sich erst einmal auf die Ausstellung im Angermuseum der Stadt.
Informationen zur Ausstellung
Ausstellung der Stadtgoldschmiedin 2022: Sarah Ordóñez
30. Juli bis 4. September 2022
Angermuseum, Anger 18, 99084 Erfurt
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Die Ausstellung wird im Foyer gezeigt, der Eintritt ist frei.
Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof, Rebekka Adler
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Juli 2022 | 12:10 Uhr