"Peter Leske - REPORTertAGE" Erfurt: Fotos von Peter Leske zeigen eine andere DDR
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Peter Leske gehörte zu den Spitzenfotografen der DDR und fotografierte u.a. für Zeitschriften wie "Für Dich" oder "NBI". Dadurch hatte er Zugang zu verschiedensten Bereichen der Gesellschaft. Seine Fotos zeigen eine andere DDR, den Aufbruch, das Wirtschaftswunder, aber auch die Skepsis der Menschen. Obwohl sein Beruf eine gewisse Staatstreue mitbrachte, inszenierte er nicht. Auch aus dem Alltag der Frauen gelangen ihm interessante Einsichten. Die Erfurter Gedenkstätte Andreasstraße widmet ihm eine Ausstellung: "Peter Leske - REPORTertAGE".
Direkt im Foyer der Ausstellung sind schon vier Fotos von Peter Leske zu sehen. Darunter stehen bekannte Zitate wie zum Beispiel das wohl berühmteste von Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen". Was aus dieser nicht vorhandenen Absicht geworden ist, wissen wir. Was hinter der Mauer alles los war, sehen wir auf den Fotos von Peter Leske. Und zwar, dass da viel mehr los war, als in manchen Geschichtsbüchern steht.
Fotograf für "Für Dich" und "NBI"
Eines der frühen Fotos von Peter Leske ist ein Modefoto: Man sieht Frauen in extravaganten Kleidern, lachend und voller Lebensenergie. Das Bild war in den 60er-Jahren Titelfoto der Frauenzeitschrift "Für Dich". Damit startete die Karriere von Peter Leske: Als festangestellter Fotograf für die großen Zeitschriften in der DDR. Eine Anstellung, die ihm Türen geöffnet hat und ermöglichte, dass er sämtliche Lebensbereiche fotografisch festhalten konnte. Und das über vier Jahrzehnte lang.
Kurator Ulrich Kneise hat sich durch 120.000 Negative aus diesen vier Jahrzehnten gewühlt und dabei manche Überraschungen entdeckt. Wie zum Beispiel dieses Bild aus dem Jahr 1964: Man sieht eine Parade in Ost-Berlin – und erst auf den zweiten Blick sieht man, wer da eigentlich durch die Straßen marschiert. "15. Jahrestag der DDR, wo die Ruhrkumpel und die Gewerkschaft aus dem Westen in Berlin der DDR zujubeln. Ich weiß nicht, wer das im Westen heute noch wissen will, dass die da in Hundertschaften angetreten sind, um die DDR zu feiern. Das war mir auch völlig neu, als ich das Negativ gefunden hab", erklärt der Kurator.
Leske zeigt auch das Wirtschaftswunder der DDR in den 60ern
Viele Bilder zeigen seltene und historische Einblicke. Die Ausstellung richte sich aber auch an die Nach-Wende-Generation, da die Bilder auch Wirklichkeiten zeigten, die weniger bekannt seien. Kneise erklärt: "Bisher unterbelichtete Bereiche: Wie zum Beispiel die 60er-Jahre, die sich ganz anders darstellen, als wir das glauben wollen. Also man sieht, es ist wirklich eine Zeit der Hoffnung, des Aufbruchs und auch des Wirtschaftswunders – muss man auch sagen! Man sieht natürlich auch das andere: Die Selbstinszenierung, die Überhöhung und das politische Palaver, man sieht auch die skeptischen Gesichter rechts und links, die hat er ja auch eingefangen!"
Fotos zeigen das Lebensgefühl von Frauen in DDR und Sowjetunion
Aber nicht nur historisch sind die Bilder wertvoll. Und das war Ulrich Kneise, der selbst renommierter Fotograf ist, besonders wichtig: Leskes Bilder sind für ihn viel mehr als nur Zeitdokumente: "Die können durchaus im Kanon der internationalen Fotografie dieser Zeit bestehen. Das war schon für mich eine Offenbarung", so Kneise.
Porträtfotos, Aktfotos, Modefotos, Streetfotografie – viele seiner Bilder zeigen Frauen, zum Beispiel eine Serie aus den 60er-Jahren: Bilder von Frauen in Moskau, wie sie auf der Straße tanzen, im Café sitzen, sich unterhalten, lachen oder einfach in Gedanken versunken sind. Fotos, die es locker mit berühmten Pendants aus dem Westen aufnehmen können: "Wenn man die Bildbeschreibung einfach mal weglässt und sich auf den poetischen Gehalt der Bilder einlässt, ist es völlig egal, ob die Mädchen da im Café in Moskau sitzen oder ob die jetzt in Paris sind. Und vor allen Dingen ist es auch gar nicht einzuordnen, weil der Chic der Zeit der gleiche ist, das Lebensgefühl ist eingefangen und formal stimmen die Bilder auch."
Zum Lebensgefühl gehört aber nun einmal auch: Die Arbeit. Auch die hat Leske in Bildern festgehalten. Ulrich Kneise: "Wo man wirklich sieht, unter welchen Bedingungen Frauen gearbeitet haben, was Frauen auch geleistet haben. Das Frauenbild ist sehr offen, es strahlt einerseits das Selbstbewusstsein aus, aber auch die Belastung der DDR-Frau."
Keine inszenierten Bilder trotz Staatsnähe im Berufsbild
Wieviel Wahrheit steckt in diesen Fotos? Immerhin war Leske im Auftrag des Staates unterwegs. Sind die Bilder Inszeniert? Nein, sagt Ulrich Kneise: "Inszenierung gab es bei Peter Leske eigentlich nie. Es geht auch darum, diesen festangestellten Bildreportern, wo die Staatsnähe auch zum Berufsbild gehört, auch eine Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Denn nicht alle haben ihren Kopf beim Arbeiten abgegeben." Peter Leske hat die Dinge so festgehalten, wie er sie gesehen hat. Die Bilder funktionieren mit DDR-Kontext, aber auch ohne, einfach als purer Kunstgenuss.
Informationen zur Ausstellung
Sonderausstellung "REPORterTAGE"
Fotografien von Peter Leske
Zu sehen bis zum 7. April 2022
Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße
Andreasstraße 37a
99084 Erfurt
Die Ausstellung kann unter 2G-Bedingungen besucht werden.
Öffnungszeiten ab 28. Dezember 2021: 10-18 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Dezember 2021 | 13:15 Uhr