"Cihan Cakmak. Where I've never been" Erfurter Kunsthalle präsentiert Fotografien zum Thema "Identität"
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Die junge Leipziger Fotografin Cihan Cakmak ist gerade in ihrer ersten Solo-Schau zu erleben. In der Kunsthalle in Erfurt präsentiert die derzeitige Meisterschülerin der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ihre Werke, die sich mit der Suche nach der eigenen Identität beschäftigen. Die Ausstellung mit dem Titel "Where I've never been" lässt tief in das Seelenleben der Künstlerin blicken – und ist einen Besuch wert, wie unsere Kritikerin findet.

In einem dunklen Raum werden drei Videos projeziert, jedes auf eine andere Wand. In einem Video sind drei Frauen zu sehen, die sich Tücher vors Gesicht halten. In einem anderen eine einsame Frau, die auf steinigen Felsen vom Meerwasser umspült wird. In einem dritten ist ein Feigenbaum inmitten einer staubigen Einöde zu sehen. Cihan Cakmak sagt, dies sei eine ihrer neueren Arbeiten: Sie habe über einen Zeitraum von zehn Jahren ihre Träume beobachtet und aufgeschrieben. Dabei sei ihr irgendwann aufgefallen, dass bestimmte Symbole und Orte wiederholt auftauchen.
Immer wieder wechseln die Motive bei dieser Installation, die Bilder sind schwer greifbar, lassen sich nicht gleichzeitig erfassen. Cakmak sagt dazu: "Hier geht es viel um so eine Isolation, die ich empfinde – auch oft in den Träumen. So ein Abgeschottet-Sein. Und auch ein Aushalten-Müssen."
Die Verbindung von Kunst mit kurdischer Identität
Wieso bin ich so, wie ich bin? Und – was hat meine Familiengeschichte damit zu tun? Diese Fragen stellt sich die 29-jährige Cakmak immer wieder in ihrer Kunst. Ihre Eltern flüchteten aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Niedersachsen, dort wurde sie geboren und wuchs dann im Künstlerdorf Worpswede auf. Einfach war das nicht, erzählt sie. Einerseits kämpfte sie gegen die traditionellen, patriarchal geprägten Erwartungen ihres kurdischen Umfelds. Andererseits gegen Minderwertigkeitskomplexe, weil sie eben mit ihren braunen Augen und braunen Haaren auffiel, anders war.
Cakmak sagt: "Mir ist dann immer mehr klar geworden, dass ich etwas verdränge. Und das habe ich dann als Grund gesehen, dieses Thema mal zu bearbeiten." Dabei sei sie darauf gestoßen, dass diese Scham und die Angst auch etwas Kollektives sein kann. Es könne eine Verbindung zu der kurdischen Identität sein.
Keine Angst vor großen Gesten – und großen Räumen
"Em Fraktal", so heißt die Fotoserie, die als Reaktion darauf entstanden ist. Cakmak ist durch ganz Deutschland gereist und hat kurdische Frauen interviewt und fotografiert, eine Auswahl der Bilder ist nun in der Kunsthalle zu sehen. Es sind in sich ruhende Porträts, nicht auf allen sind die Protagonistinnen erkennbar. Alle strahlen etwas Suchendes aus. Immer wieder sind auch Selbstporträts von Cakmak darunter.
Raumgreifend und wohl der Hingucker in dieser Schau ist ein Bild von Cakmak, auf dem sie auf der Seite liegt, in einer Art Sultanspose, den Arm auf einen traditionellen Teppich stützt und beharrlich, gar stur in die Kamera blickt.
In einer Ausstellung in Herne habe sie das noch größer gedruckt – auf drei Meter Stoff. Es seien dann viele gekommen und hätten sie gefragt, ob es für sie nicht komisch sei, dort oben in so groß zu hängen. Darauf habe sie immer geantwortet, dass sie ihre Arbeit nicht verstanden haben. Weil es genau darum gehe, sich den Raum zu nehmen. Sich nicht zu verstecken, darum geht es Cihan Cakmak.
Cakmak will nicht zum Klischee stilisiert werden
Es sei wie ein Ausbrechen in einer anderen Form: "Sich erstmal räumlich zu lösen von Strukturen, die man nicht cool findet, ist was anderes. Aber es dann emotional zu machen und auch in Kunst zu verarbeiten, ist für mich so 'Next Level'."
Die Frage nach der eigenen Identität wird Cakmak auch weiterhin künstlerisch begleiten. Gleichzeitig verwehrt sie sich dagegen, zum Klischee stilisiert zu werden – das der jungen Frau aus einem repressiven Umfeld, die sich die eigene Unabhängigkeit erkämpft hat. Sie brauche einfach ihren Freiraum. Um das zu tun, was sie gerne mache.
Weitere Informationen zur Ausstellung
"Cihan Cakmak. Where I've never been"
11. März bis 1. Mai 2022
Kunsthalle Erfurt
Fischmarkt 7
99084 Erfurt
Weitere Ausstellungen von Cihan Cakmak in diesem Jahr:
24./25. Juni 2022: Gruppenausstellung im Kunsthaus Dresden
Septembe 2022: Doppelausstellung in der Stephanie Kelly Galerie in Dresden
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. März 2022 | 13:45 Uhr