Erich Dieckmann Design: Wie ein Bauhaus-Künstler unsere Wohnzimmer bis heute prägt
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Das Haus am Horn in Weimar wäre ohne diesen Möbeldesigner aus Löbau nicht das, was es heute ist: Im Auftrag von Walter Gropius gestaltete der junge Möbelgestalter Erich Dieckmann das Wohnzimmer des ikonischen Gebäudes am Bauhaus Weimar. Später entwarf er als Leiter der Holzwerkstatt an der Burg Giebichenstein in Halle unzählige neuartige Stühle, Stahlrohrsessel, Regale und Tische. Das Besondere: die Möbel ließen sich erstmals endlos kombinieren und stapeln. Eine Ausstellung der Kunststiftung Sachsen-Anhalt entdeckt den vergessenen Bauhäusler nun wieder, dessen Möbel unsere Wohnzimmer bis heute prägen.
Ganz Deutschland ist im nationalen Taumel, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht. Auch der blutjunge Erick Dieckmann lässt sich von der Euphorie anstecken und zieht in den Krieg. Manon Bursian, die Direktorin der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt beschreibt die Situation: "Dieckmann meldete sich freiwillig in den Ersten Weltkrieg. Er wurde schwer verletzt, an einem Arm so angeschossen, dass er einen Finger verloren hat. Er lag zwei Jahre im Lazarett und hat danach, glaube ich, seine ganze Energie zusammengenommen. Er ist zuerst zum Studium nach Danzig gegangen, dann später nach Dresden. Und in Dresden hat ihn Gerhard Marcks angesprochen und nach Weimar geholt, ans Bauhaus."
Von Bauhaus-Größen wie Walter Gropius gefördert
Dieckmann wird vom Bauhaus-Lehrer Gerhard Marcks gefördert, aber auch vom legendären Gründungsdirektor Walter Gropius. Und der verpflichtet dann den ehrgeizigen Möbeldesigner für das wichtigste Prestige-Projekt des jungen Bauhauses. Denn Dieckmann soll für das Haus am Horn in Weimar ein Wohnzimmer gestalten.
Der Student überzeugt auf voller Linie – und mit dem Rückenwind des Erfolgs gerät er dann in einen regelrechten Schaffensrausch, wie ihn Bursian beschreibt: "In Weimar war für ihn die Revolution in Holz. Am Ende waren 28 Entwürfe nachweisbar – wir würden heute sagen 'Lizenzen' – die ihm gehören. Damit ist er einer der produktivsten Bauhäusler in der Weimarer Zeit, der mit so vielen eigenen Kreationen am Ende auf den Markt gegangen ist. Das sind alle Stücke, die in Produktion gegangen sind, wo die Rechte ihm gehörten und die dann auch produziert wurden."
Nach Bauhaus Weimar folgt Burg Giebichenstein in Halle
Dieckmann ist der produktivste Möbelentwerfer in Weimar, doch 1925 wird das Bauhaus geschlossen. Er bleibt in der Stadt, bis er dann 1931 an die Burg Giebichenstein nach Halle gerufen wird – und zwar wiederum von dem berühmten Künstler Gerhard Marcks. Als Leiter der Holzwerkstatt entwirft er unzählige Typenmöbel – das sind neuartige Systeme aus Schränken, Regalen und Tischen, die sich endlos kombinieren lassen. Ganz so wie heute bei IKEA.
Meister des schwungvollen Möbeldesigns
Dieckmann entwickelt flexible Lösungen für den kleinen Geldbeutel und für kleine Wohnungen. Aber er gestaltet auch aufregende Sessel mit eleganten Kurven und Rundungen. Was diese auszeichnet, beschreibt Bursian: "Was, glaube ich, allen seinen Möbeln wirklich eigen ist, sind diese fantastischen Schwünge. Diese erdehnt das Material Stahl in eine Dimension, wie es, glaube ich, kein anderer Bauhäusler geschafft hat. Und selbst in den Korbmöbeln gelingt ihm das noch, wenn man diese Rattanschwünge sieht. Da möchte man sich einfach nur reinlegen! Man verliebt sich sofort in das Material und man hat einfach ein tolles Gefühl, auch beim Sitzen."
Viele seiner Lounge Chairs versprühen etwas von der diskreten Eleganz eines Mies von Rohe und der Wärme der skandinavischen Moderne. Und so sind sie zugleich der Gegenpol zu den streng geometrischen Freischwingern, wie sie Marcel Breuer und Mart Stam geschaffen haben.
In Halle auf dem Höhepunkt seines Schaffens – bis die Nazis kommen
Auch an der Burg Giebichenstein ist Erich Dieckmann wieder ungemein produktiv. Ohne Frage befindet er sich Anfang der 1930er-Jahre auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Im Jahr 1933 wird dann alles anders. Die Nazis kommen an die Macht und er wird entlassen – zusammen mit anderen ehemaligen Bauhäuslern wie Marguerite Friedlaender oder Gerhard Marcks. Dieckmann ist so verzweifelt, dass er in die NSDAP eintritt. Doch alles Anbiedern an die neuen Machthaber hilft nichts, die Rückkehr an die Kunsthochschule bleibt ihm verwehrt.
Ausstellung entdeckt Möbel-Gestalter der Bauhaus-Ära wieder
So bleibt Erich Dieckmann keine andere Wahl, als einen Brotjob anzunehmen. Er arbeitet nun beim "Amt für Schönheit" in Hannover – welch' bittere Ironie. Bis auf eine Verkleidung für Heizkörper darf er in der Nazizeit nichts mehr entwerfen. Bis zu seinem frühen Tod mit 48 Jahren. Laut Bursian ist Dieckmann 1944 nach einem Bombenangriff auf Berlin in der Stadt an einem Herzversagen gestorben.
Wir wissen auch aus den letzten Jahren, dass er kaum noch arbeiten konnte, dass er viel krank war. Er ist praktisch – so kann man sagen – an Erschöpfung gestorben.
Der frühe Tod von Erich Dieckmann hat dazu beigetragen, dass er vergessen wurde. Auch sein Verbleib in Nazi-Deutschland mag wohl eine Rolle gespielt haben. So ist es ein Glück, dass man diesen facettenreichen Designer nun wiederentdecken kann. Als einer der aufregendsten Möbel-Gestalter der Bauhaus-Ära.
Die Ausstellung
"Erich Dieckmann – der vergessene Bauhäusler"
Erich Dieckmanns Möbel, Grafiken, Entwürfe und Zeichnungen
Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt in Halle
Neuwerk 11, 06108 Halle/Saale
Burg Galerie im Volkspark
Am Schleifweg 8a
12.02.–27.03.2022
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag: 14 bis 18 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. Februar 2022 | 07:40 Uhr