Kloster Posa Wie Zeitz zum Mekka für Künstler und Kreative geworden ist
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Zeitz im Süden von Sachsen-Anhalt nahe Leipzig ist vor allem bekannt für Leerstand, Bevölkerungsschwund und wegfallende Arbeitsplätze. Doch es bewegt sich etwas in der einstigen Industriestadt im Burgenlandkreis: Künstlerinnen und Künstler lassen sich dort nieder und genießen den "Charme des Unfertigen". Ein Motor der erstarkenden Kreativszene ist das Kloster Posa, das zum Domizil für Kunst- und Kulturschaffende aus aller Welt geworden ist.

Vorbei an einem Weinberg führt der Weg zum Kloster Posa. Das frühere Benediktinerkloster, auf einem Hügel oberhalb von Zeitz, ist heute ein Ort für Kreative, für Künstlerinnen und Künstler. Zu verdanken ist das Menschen wie Thomas Haberkorn. Er hat 2013 den Verein Kloster Posa mitgegründet: Ein Verein, der dort Chancen sieht, wo Leerstand herrscht – und dann Kultur einziehen lässt.
Neben einem Taubenturm, der sofort ins Auge fällt, wenn man das sieben Hektar große Areal betritt, gibt es mittlerweile eine große ausgebaute Scheune für Lesungen, Konzerte, eine Schmuck-, eine Holz- und eine Siebdruckwerkstatt.
Vom Benediktinerkloster zum Künstler-Domizil
Zehn Menschen leben sogar auf dem Klostergelände. Thomas Haberkorn ist einer von ihnen. Er ist nach Zeitz zurückgekehrt und zählt zu den Mönchen, wie die heutigen Bewohner des Klosters Posa augenzwinkernd genannt werden. Außerdem gebe es noch die Pilger, so Haberkorn. Das sind Menschen, die im Verein sind, ihre Werkstätten im Kloster hätten, aber nur zu Veranstaltungen oder am Wochenende kämen.
So wie Lennart Süttlerin: Der Grafikdesigner leitet die offene Siebdruckwerkstatt. Er sei kein Zeitzer, sondern kommt immer aus Leipzig angefahren. "Ich mache das hier, schlicht und ergreifend, weil es den Raum gibt, den man in anderen Städten so nicht mehr findet", erklärt Lennart Sütterlin seine Motivation.
Auf der Suche nach kreativem Freiraum
Freiraum – das ist die Erklärung, warum es die Menschen nach Zeitz zieht. Hier könne man aktiv werden, so Haberkorn, sich einbringen und gestalten. In einer Stadt, die seit der Wende fast die Hälfte der Bevölkerung verloren hat und in der Zweidrittel der Industriearbeitsplätze wegfielen, stecken für Künstler viele Möglichkeiten, Räume und Platz. Das Kloster liegt vor den Toren der Stadt. Sein kreatives Potenzial strahlt aber über die Klostermauern hinaus.
Die Leute kommen hoch auf das Kloster, so Sütterlin. Sie schauen sich die künstlerische Arbeit an und besuchen Veranstaltungen. Aber vom Kloster selbst gehe man auch in die Stadt. Lennart Sütterlin gab vor Kurzem einen Workshop, in dem er mit Zeitzer Schülerinnen und Schülern an Plakaten gearbeitet hat.
Begeistert vom Charme des Unfertigen
Mitten in der Innenstadt befindet sich die alte Stadtbibliothek – Thomas Haberkorn bezeichnet sie als Satelliten des Klosters. Das Haus mit hohen Decken und abblätternder Farbe ist ein Kunsthaus. Circa zehn Künstlerinnen und Künstler seien dort vor Ort vertreten, erzählt er. "Die arbeiten in verschiedenen Bereichen, beispielsweise als Maler oder Fotografen."
Zu diesen Künstlerinnen und Künstlern gehören auch die Dänen Line Bøgh und Christian Gundtoft. Die Musikerin und der Visual Artist haben vor Kurzem erst ihr Atelier in Zeitz bezogen. Bei einem Konzert im vergangenen Jahr hat der unfertige Charme von Zeitz sie gepackt. Christian Gundtoft erzählt, er möge dieses Gefühl von Potenzial: Dass bald etwas geschehe und gleichzeitig bereits etwas passiert.
Man lernt Menschen kennen, die interessante Dinge tun, aber es sind noch Projekte – work in progress.
Neben den günstigen Mieten begeistert sie auch die besondere Ausstrahlung der Stadt. In Dänemark – gerade in Kopenhagen – wäre alles schon so fertig, so perfekt. Es gebe nicht so viele Orte in Dänemark, wo der Verfall sichtbar sei, so Line Bøgh. "Es ist eine tolle Ästhetik, die ich auch genieße und die einen guten Einfluss auf mich und meine Kunst hat", berichtet die Singer-Songwriterin.
Zeit: Eine Stadt der Zukunft?
Dort, wo mit dem Kloster Posa ein Anfang gemacht wurde, siedeln sich also noch mehr Kreative an. Dieser Zuzug wird auch unterstützt durch Fördergelder oder Investoren: Die alte Nudelfabrik beispielsweise wurde von die ein Leipziger Investor gekauft und wird inzwischen als Raum für Kunstschaffende und ihre Projekte genutzt.
Eine Entwicklung, die in die Zukunft wirkt, wie Thomas Haberkorn vom Kloster Posa hofft. Natürlich könne man mit Kunst und Kultur den Strukturwandel nicht gestalten. Aber es sei auf jeden Fall ein wichtiger Punkt, um mehr Lebensqualität nach Zeitz zu bringen, auch langfristig. In einer Stadt, die mit dem Motto "Stadt der Zukunft" gerade durchstarten will, sind Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft ein wichtiger Motor.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. August 2021 | 06:15 Uhr