"Ringelnatz-Sommer" Hallo, hallo: Wurzen feiert Joachim Ringelnatz mit Festival
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Die Gedichte von Joachim Ringelnatz gehören zu den populärsten, die in Deutschland je geschrieben wurden. Das ist nur einer der Gründe, warum Wurzen seit 2003 mit dem Festival Ringelnatz-Sommer den Schriftsteller, Lyriker und Kabarettisten ehrt. Vom 29. Juli bis 7. August präsentieren Künstler, wie die Schauspieler Jörg Schüttauf und Holger Umbreit sowie der Leipziger Dichter Andreas Reimann, das Werk des bekanntesten Wurzeners.
Joachim Ringelnatz, das ist der mit den komischen Gedichten, der "Kuttel Daddeldu" der deutschen Literatur. Mit Erich Kästner und Christian Morgenstern gehört er zu jenen, die seit Jahrzehnten zuverlässig auf Bühnen und in literarisch-musikalischen Programmen rezitiert und vertont werden. Jedoch: Vorsicht! Ringelnatz ist Kunst und nicht etwa Kleinkunst. Mit seinen kühnsten Versen reiht er sich ein in die experimentellen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts und attackiert auf diese Art das allzu Gefühlige und Brave in der deutschen Literatur.
Ringelnatz war Bohemian und Außenseiter
Ringelnatz musste so schreiben, denn schon als Kind und Jugendlicher (geboren 1883 in Wurzen, zur Schule gegangen in Leipzig) "rüpelte" Ringelnatz gegen jene, die einen netten Bürger aus ihm machen wollten und driftete immer wieder in die Welt der Außenseiter, Herumtreiber und Bohemians. Seine Gedichte gehören zu den populärsten, die in Deutschland je geschrieben wurden, und trotzdem ist das Werk des Joachim Ringelnatz von der Literaturwissenschaft bislang kaum untersucht worden.
Ringelnatz-Verein in Wurzen hält den Künstler lebendig
Eine Lücke, in die ein Stück weit der 1992 in Wurzen gegründete Ringelnatz-Verein stößt, wenn er am Geburtsort des Dichters in diesem Jahr den "Ringelnatz-Sommer" veranstaltet. Zwar wird das Geburtshaus gerade saniert (und soll zur Frühjahrsbuchmesse 2023 wieder genutzt werden können), aber Wurzen ist dennoch ein Ort voller Ringelnatz: mit Ringelnatz-Brunnen, Ringelnatz-Kunstpfad, Ringelnatz-Galerie (die auch den Maler Ringelnatz vorstellt) und Ringelnatz-Gedenkausstellung. Der Verein um die Vorsitzende Viola Heß hat in bewundernswerter Kleinarbeit Lebenszeugnisse sowie künstlerische Arbeiten von und zu Ringelnatz zusammengetragen.
Und um diese Stationen im sächsischen Wurzen herum wird auch in diesem Jahr eine gute Woche lang Ringelnatz rezitiert, gewürdigt, erschlossen oder von Künstlerinnen und Künstlern weitergesponnen. Denn wer, wenn nicht Ringelnatz, der Erfinder vieler fantastischer Wortschöpfungen, dürfte im schönsten Sinne des Wortes als kreativer, poetischer Spinner bezeichnet werden.
Programm-Highlights aus dem Ringelnatz-Sommer
Zum Ringelnatz-Sommer kommt am 29. Juli der Slammer Fabian Navarro ins Wurzener Kulturhaus und zeigt, wie sich mit einer eigens geschriebenen Software Gedichte erzeugen lassen oder eben auch nicht – was dann mit dem Slammer zu diskutieren sein wird.
Einen Tag später (30.07.) lädt die Völkerkundlerin Dr. Hilke Thode-Arora ins Kulturhistorische Museum Wurzen ein und erzählt von den sogenannten Völkerschauen, in denen sich in den frühen 1900er-Jahren die Deutschen über exotische Völker informieren konnten, die seinerzeit allerdings vor allem als koloniale Vorurteile und Sehnsüchte wahrgenommen wurden. Den Schüler Ringelnatz beeindruckte ein Völkerschau-Besuch in Leipzig einst so sehr, dass er sich von einer der anwesenden Samoarinnen ein Tattoo stechen ließ – so jedenfalls geht die Legende.
Die Konzertpianistin Anna Heller und der Schauspieler Robert Kühn nehmen die Tradition des musikalisch-literarischen Kabaretts mit Songs und Szenen aus der Ringelnatz-Zeit auf, der Dichter Andreas Reimann erinnert an seinen Großvater Hans Reimann, der mit Ringelnatz befreundet war.
Ringelnatz-Programm von Jörg Schüttauf und Holger Umbreit
Nach dem Spaziergang durch den Park sollte unbedingt noch Zeit sein für den bekannten Schauspieler Jörg Schüttauf und seinen Kollegen Holger Umbreit. "Öffentliche Probe" heißt ihr Ringelnatz-Programm, in dem sie die Erfahrungen eigener Film- und Theater- (und also Proben-) Zeit verbinden mit Texten des ja ebenfalls durch viele Proben gegangenen Dichters Joachim Ringelnatz.
Die Künstler, im Geiste des Künstlers Ringelnatz, sinnieren über das richtig gesetzte dichterische Wort, über den Zauber und die Nöte des Reisens und über den Kummer mit den Gagen und Proben. Eine bunte Woche voller Ringelnatz, das Motto liefert natürlich der Dichter selbst: "Lebe, lache gut! Mache deine Sache gut!"
(Redaktionelle Bearbeitung: Judith Burger)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. Juli 2022 | 07:40 Uhr