Corona-Pandemie Verlegungen im Kleeblatt: Was, wenn kein Intensivbett mehr frei ist?
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Wenn Intensivpatienten innerhalb eines Bundeslandes nicht mehr verlegt werden können, greift das "Kleeblatt"-Prinzip: Dann werden Patienten in andere Bundesländer verlegt – zunächst in jene, die zum gleichen Kleeblatt gehören. Gibt es dort keine Kapazitäten mehr, wird in Bundesländer anderer Kleeblatt-Regionen verlegt. Aber was, wenn es deutschlandweit keine Verlegungsmöglichkeit mehr gibt?

- Die Lage auf den Intensivstationen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen spitzt sich zu.
- Verlegungen zwischen diesen Bundesländern finden nicht mehr statt. Das Kleeblatt Ost ist "rot". Verlegungen können nur noch in andere Bundesländer vorgenommen werden.
- Wenn auch die Bundesländer der anderen Kleeblätter keine Patienten mehr aufnehmen, bleiben nur noch Notfallreserven und Verlegungen ins Ausland.
"Der beste Patient geht von Station, wenn ein neues Bett gebraucht wird." Das berichtet der Klinikdirektor für Intensivmedizin Michael Bauer aus Jena. Er koordiniert die Intensivstationen in Thüringen, die am Donnerstag 223 Covid-19-Patienten behandelten. "Der beste Patient" heißt in diesem Falle: Der Patient, der am stabilsten ist und den man am ehesten auf eine Normalstation verlegen kann, wird verlegt.
Für Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger ist diese Situation belastend: Das Klinikpersonal sei ausgebrannt und man komme in einen Bereich, wo man "Medizin macht, die man nicht machen will", sagt der Klinikdirektor. Das bedeutet für die Patienten: Beste medizinische Versorgung ist zur Zeit nicht möglich. Mitte der Woche bereitete man in Thüringen acht Verlegungen in andere Bundesländer vor. In der letzten Woche hatte man bereits zehn Patienten nach Norddeutschland verlegen müssen, so Bauer.
Zudem gibt es mittlerweile Wartelisten für Intensivbetten – auch für Menschen, die an anderen Krankheiten leiden und etwa nach Eingriffen oder planbaren Behandlungen auf die Intensivstation angewiesen wären. Das sei eine "milde Form der Triage", erklärt Bauer, da Menschen auf der Warteliste auch bereits gestorben seien. Das Warten verschlechtere ihre Prognose und ihre Überlebenschancen.
Pflegepersonal dezimiert und am Ende der Kräfte
Auch in Sachsen-Anhalt spitzt sich die Lage zu. Dort mussten aber bisher noch keine Patienten in andere Länder verlegt werden. Anders ist die Lage in Sachsen. Dort wurden am Mittwoch mit Hilfe eines Bundeswehrflugzeugs sechs Patienten nach Nordrhein-Westfalen gebracht. Krankenhäuser wie das Helios Klinikum in Aue müssten Verlegungen vornehmen um eine "Notfallversorgung sicherzustellen", so die Pressesprecherin Katharina Kurzweg. Auch wenn man bereits Stationen zusammengelegt und Isolationsbereiche geschaffen habe, würden die Kapazitäten nicht ausreichen. Hinzu komme ein "hoher Krankenstand und Ausfälle aufgrund von Quarantänen", so Kurzweg.
Das Personal reicht vielerorts nicht aus. Viele Pflegekräfte haben den Job bereits verlassen. In Sachsen wurde deshalb am Donnerstag ein Onlineportal errichtet, bei dem sich hilfsbereite Bürgerinnen und Bürger anmelden können. Gesucht werden Krankenschwestern und Pfleger sowie Ärztinnen und Ärzte – auch Menschen im Ruhestand werden explizit angesprochen.
Der Kleeblatt-Mechanismus stößt an seine Grenzen
Um die intensivmedizinische Versorgung sicherzustellen, würden bei der Überlastung von Kliniken zuerst die Krankenhäuser in der Nähe kontaktiert, erklärt der Thüringer Intensiv-Koordinator Michael Bauer. Doch dieses System stößt derzeit an Grenzen: Bei ihm in der Klinik seien keine Reserven mehr vorhanden und das gelte für ganz Thüringen. Für den Fall also, dass im eigenen Bundesland niemand helfen kann, wird der Kleeblatt-Mechanismus genutzt. Dieses überregionale System schafft normalerweise deutlich größere Kapazitäten.
Aber natürlich sind auch diese endlich: Das Kleeblatt Ost, in dem sich Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Berlin koordinieren, hat die Stufe "rot" ausgerufen. Das bedeutet, dass diese Bundesländer keine Patienten mehr aufnehmen können. Gleiches gilt für das Kleeblatt Bayern. Das machte Verlegungen nach Nordrhein-Westfalen oder Norddeutschland notwendig.
Was passiert, wenn alle Kleeblätter überlastet sind?
Doch was passiert, wenn auch die anderen Kleeblätter an ihre Kapazitätsgrenze geraten? Vorerst sind noch Verlegungen in andere Kleeblattregionen möglich. Im Kleeblatt Ost ist für die Koordination das Innenministerium Sachsen-Anhalt federführend. Das Ministerium organisiert gemeinsam mit den anderen Koordinationsstellen die Verlegungen aus dem Kleeblatt Ost heraus. Aktuell sei das noch möglich, so eine Sprecherin. In ersten Ländern würden jedoch Auslandsverlegungen geprüft, wie etwa in Baden-Württemberg.
Sollte der Kleeblattmechanismus aufgrund von Überlastung nicht mehr greifen, werde auch bundesweit über Verlegungen ins Ausland nachgedacht, teilt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf Anfrage mit. Diese Verlegungen seien dann bilateral zwischen zwei Ländern möglich oder über den europäischen Katastrophenhilfemechanismus (EU CPM).
Gibt es noch Notfallreserven?
In den Zahlen des DIVI-Intensivregisters liest man von möglichen Notfallreserven. Intensiv-Koordinator Michael Bauer erklärt für seine Klinik: "Notfallreserve bedeutet, dass wir sonst nichts mehr machen." In diesem Falle würde der Normalbetrieb der Klinik innerhalb weniger Tage eingestellt und alle Ressourcen bei der Notfallversorgung gebündelt – ohne geplante Eingriffe und Behandlungen für sonstige Patienten. Das müsse unbedingt verhindert werden. Der Klinikdirektor vergleicht den Notfallbetrieb mit einem modernen Lazarett. "Das ist gedacht für kriegsähnliche Bedingungen. Das kann niemand ernsthaft wollen, dass wir hier aus der Klinik einen Hauptverbandsplatz machen."
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Exakt | 01. Dezember 2021 | 20:15 Uhr
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