Kommentar Über Sinn und Rechtmäßigkeit der Corona-Proteste in Thüringen
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Mehr als 21.000 Menschen haben am Montagabend in Thüringen gegen die Corona-Regeln protestiert. Vielerorts friedlich - zum Teil kam es aber auch zu Gewalt. Der Sinn und die Rechtmäßigkeit dieser Proteste sind umstritten. Ein Kommentar.

Ich bin ein freiheitsliebender Mensch und daher ein Fan von Regeln, die uns viel Freiheit ermöglichen. Eine davon ist Artikel 8 des Grundgesetzes. Er lautet: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln."
Ein Grundrecht, das viele Veränderungen in unserem Land ermöglicht hat. Mindestens drei Parteien im Bundestag verdanken ihre Erfolge auch immer wieder großen öffentlichen Protesten. Ein Umstand, der auch heute Menschen ermutigen sollte, zu protestieren. Gerade auch in der Pandemie mit all ihren Zumutungen und tiefen Einschnitten in unsere Gewohnheiten und Rechte.
Verständnis für Unmut
Für einige Punkte der Kritiker habe ich durchaus Verständnis. Ich kann zum Beispiel die 2G-Plus-Regelung, die ab kommender Woche in unseren Restaurants gelten soll, nicht nachvollziehen. Wieso darf sich ein vor einem halben Jahr Geimpfter, der angesichts von Omikron so gut wie keinen Infektionsschutz mehr haben dürfte, freitesten und ein Ungeimpfter nicht. Ich verstehe, wenn Ungeimpfte gegen diese Regel protestieren.
Oder nehmen wir die geplante Impfpflicht, die Kanzler und Bundesgesundheitsminister für alle ab 18 Jahren wollen. Und das obwohl unter 50-Jährige ein relativ geringes Risiko haben, wegen einer Corona-Erkrankung auf der Intensivstation zu landen, oder gar zu sterben. Es ist laut Statistischem Bundesamt mehr als zweihundertmal niedriger, als das der über 60-Jährigen. Daher verstehe ich, wenn Menschen gegen eine allgemeine Impfpflicht demonstrieren.
Viele Teilnehmer zeigen nur eines - ihre eigene Rücksichtslosigkeit
Aber auch für Proteste gibt es Regeln. Ich komme nochmal zu Artikel 8 des Grundgesetzes - der zweite Absatz lautet: "Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden." Beschränkungen für Versammlungen in der Pandemie lauten: Abstand halten oder Maske aufsetzen - vor allem, um auf andere Rücksicht zu nehmen, um andere zu schützen. Wenn dann auf Demonstrationen diese Regel weitgehend ignoriert wird und stattdessen "Reißt die Maske ab" gerufen wird, zeigen die Teilnehmer nur eins - ihre eigene Rücksichtslosigkeit.
Eine ganz alte Beschränkung für Versammlungen lautet: Demonstrationen müssen angemeldet werden. Dies unter anderem, damit die Polizei das Versammlungsrecht der Demonstranten schützen kann, was sie im Übrigen in Thüringen auch am Montag wieder vielerorts gemacht hat, indem sie Straßen kurzfristig für den Autoverkehr gesperrt hat, obwohl die Versammlungen nicht angemeldet waren. Die Demonstranten quittierten das mit der Parole "Frieden, Freiheit, keine Diktatur".
Wer diese Parole unter dem Schutz der Polizei anstimmt, zeigt damit vor allem seine eigene Geschichtsvergessenheit.
Die gute Nachricht für Menschen, die ohne Maske und Abstand an unangemeldeten Demonstrationen teilnehmen, lautet daher: Ihnen droht heute statt Bautzen maximal ein Bußgeld. Die schlechte lautet: Sie verspielen die Chancen, die ihnen das Grundgesetz bietet. Wer krude Parolen teilt und sich nicht an Regeln hält, hat wenig Chancen, die öffentliche Meinung in seinem Sinn zu beeinflussen, wenig Chancen, etwas in seinem Sinne zu bewegen, wenig Chancen, Dinge zu verändern. Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen die Chancen unserer Regeln erkennen und nutzen würden.
Quelle: MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 18. Januar 2022 | 19:00 Uhr
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