ECHT-Reportage Bauboom im Klimawandel: Bauen mit Abfall in Thüringen
Hauptinhalt
400.000 Wohnungen pro Jahr verspricht die Bundesregierung im Kampf gegen den Wohnungsmangel - und gleichzeitig weniger CO2-Emissionen beim Bau. So weiterzubauen wie bisher scheint unmöglich. Zwei Freunde in Neckeroda im Weimarer Land zeigen, wie sie alte Fachwerkhäuser mit Bauabfällen wieder zum Leben erwecken. Und ein deutsches Start-up hat einen Weg gefunden, um Plastikflaschen so zu verarbeiten, dass sie in Sumatra als "Eco Brics" wieder verbaut werden können.

Ein besonderes Flair entfalten die alten Fachwerk-Häuser mitten in Neckeroda im Weimarer Land. Dass das so ist, ist Menschen wie Jürgen Aumann zu verdanken, der sich gemeinsam mit seiner Familie und Freunden Anfang der 1990er-Jahre in ein Abenteuer stürzte, um diese alten Gemäuer zu retten.
Damals um 1989, so erinnert er sich, sei die Lage auf dem Hof schon akut gewesen. "Die drei Höfe hier sollten damals abgerissen werden, weil die Substanz schon so desolat war, dass es eigentlich nicht zumutbar war, dort Menschen wohnen zu lassen."
Plötzlich ein Haus mit unschätzbarem Wert
Mehr als 20 Jahre wohnt der Bauingenieur Aumann schon mit seiner Familie in einem der alten Fachwerkhäuser.
Mittlerweile berät er andere Bauherren, die denkmalgeschützte Gebäude renovieren wollen. Vieles was reif für den Abriss war, erstrahlt heute im Familienwohnhaus in neuem Glanz. Jedes Bauteil, jedes Möbelstück erzählt eine eigene, ganz besondere Geschichte. Geschichten die zum Glück nicht auf dem Sperrmüll gelandet sind.
Eigentlich hätten sie die Fenster zerstört - und dann wäre das unwiderruflich Geschichte.
Sogar der Lehm an den Wänden ist recycelt. Und die Fenster im Atelier stammen aus der Dorfkirche: "Eigentlich haben sie die Fenster für nicht mehr tauglich befunden und nach dem Ausbau wären die unwiderruflich zerstört worden", sagt Aumann über die alten Schätze. Schätze, die aus dem alten Gebäude auf einmal ein Haus von unschätzbarem Wert machen.
Ein bisschen Wasser erweckt jahrhundertealten Lehm
In einem anderen, circa 350 Jahre alten Mehrfamilienhaus in Rudolstadt, zeigen Jürgen Aumann und sein Studienfreund Steffen Marx, wie sie allein durch ein bisschen Wasser alte Baumaterialien wiederbeleben: Gemeinsam mischen sie alten Lehm neu an und verteilen ihn mit den bloßen Händen an Wänden, die eigentlich nur noch zum Abriss geeignet scheinen.
Baumann sagt: "In der aktuellen Klimadebatte sollte man sich natürlich immer anschauen: Wie viel Energieaufwand wird in der Produktion der Baustoffe benötigt."
Lehm ist ein natürliches Verwitterungsprodukt und ich habe in der Produktion somit keine CO2-Emission.
Aumann und Marx studierten früher gemeinsam Bauingenieurwesen. Während Jürgen Aumann heute Bauherren bei der Sanierung alter Gebäude berät, hat Steffen Marx riesige Brücken gebaut und gibt sein Wissen als Professor an der TU Dresden an Studenten weiter. Nach dem Studium führten ihre Wege in zwei verschiedene Welten.
Wände aus Plastik: Bauen mit "Eco-Brics"
Innerhalb weniger Jahre hat das Start-Up Project Wings aus Koblenz ein Projekt entwickelt, bei dem im Dorf Bukit Lawang auf Sumatra Plastik als Baustoff genutzt werden kann. So soll ein ganzes Plastikdorf entstehen: Einheimische können gesammeltes Plastik eigenständig in Plastikflaschen stopfen und diese dann an das Start-Up verkaufen. Zwischen Lehm übereinandergeschichet entstehen so stabile Wände. Nebenbei ist nach Angaben von Project Wings so auch schon viel Plastik aus den Flüssen des "zweit wichtigsten Regenwaldes der Welt", dem Gunung Leuser Nationalpark, entfernt worden. Theoretisch ließen sich Plastik-Gebäude nicht nur in Sumatra herstellen. Der wichtigste Baustoff ist eins der größten Abfallprodukte unserer Zeit.
Der Wunsch: Alte Techniken in moderne Verfahren einbeziehen
Während er vorwiegend mit neuen Baustoffen arbeite, erzählt Steffen Marx zwischen den alten Streben in Rudolstadt, freue er sich, seinen Freund Aumann bei Sanierungen wie in diesem alten Fachwerkhaus zu helfen.
"Ich frage mich, ob man diese Welten nicht zusammenbringen kann. Es muss doch eine Möglichkeit dazwischen geben - also nicht nur wegreißen und neu bauen. Die Frage ist: Wie können wir die modernen Bauprozesse mit den nachhaltigen Methoden aufmischen?"
Um Bauprozesse nachhaltiger zu gestalten und weniger CO2 bei der Produktion von Baustoffen zu verursachen, kann es für Aumann und Marx auf jeden Fall nicht so weitergehen wie bisher.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | ECHT | 11. Mai 2022 | 21:15 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/f980c869-ebb7-4449-a840-4c0b214ea5bf was not found on this server.