EuGH-Urteil Disziplinierung von Richtern in Polen verstößt gegen EU-Recht
Hauptinhalt
Polen verstößt mit seinem System zur Disziplinierung von Richtern gegen EU-Recht, urteilte der EuGH. Die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am Obersten Gericht biete nicht alle Garantien für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, hieß es in der Begründung.

Das neue Disziplinarrecht für Richter und Richterinnen in Polen verstößt gegen EU-Recht. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag entschieden. Die beim Obersten Gericht Polens angesiedelte Disziplinarkammer biete nicht alle Garantien für Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, begründete der EuGH sein Urteil.
Die polnische Regierung muss nun Maßnahmen ergreifen, um den Rechtsverstoß zu beheben. Tut sie das nicht, könnten ihr Geldstrafen drohen. Ein Regierungssprecher in Warschau erklärte am Donnerstag, der EuGH versuche, sich mit seinen Urteilen "die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten anzueignen".
Polnische Disziplinarkammer kann Richter entlassen
Die Disziplinarkammer ist das Herzstück der umstrittenen Justizreform der nationalkonservativen PiS-Regierung. Die Disziplinarkammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Deshalb bemängelte der EuGH, dass durch die neue Disziplinarordnung rein inhaltliche Gerichtsentscheidungen als Disziplinarvergehen eingestuft und geahndet werden können. Damit könnte die neue Regelung "zur politischen Kontrolle von Gerichtsentscheidungen oder zur Ausübung von Druck auf Richter eingesetzt werden".
Keine Unabhängigkeit der Gerichte mehr gewährt
Nach Auffassung der EU-Kommission ist die Unabhängigkeit der Kammer fraglich, da ihre Mitglieder vom politisch kontrollierten Landesjustizrat ernannt werden. Diesen Punkt sieht auch der EuGH kritisch.
Die Kammer sei "nicht unempfänglich" für Einflussnahmen durch das polnische Parlament und die Regierung, erklärte das Gericht. Das Verfahren zur Ernennung der Mitglieder der Kammer werde wesentlich durch den Landesjustizrat bestimmt, "dessen Unabhängigkeit zu berechtigten Zweifeln Anlass geben kann", heißt es in dem Urteil.
Quelle: dpa, AFP
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 15. Juli 2021 | 12:00 Uhr