Dienstags direkt | 27.09.2022 | 20:00 - 23:00 Uhr Stresstest für Sachsens Wälder: Wie machen wir unsere Forstbestände zukunftsfähig?
Hauptinhalt
Brennende Wälder in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz – die Bilder des Sommers waren schockierend. In vielen Gebieten stehen nur noch Baum-Skelette, die Flammen hatten sich bis ins Erdreich gefressen. Erst vor einem Monat wurden die Waldsperren vollständig aufgehoben. Vorbei, abgehakt und vergessen? Wie soll der Wald der Zukunft aussehen und heißt es jetzt: entscheiden zwischen Sicherheit und Naturschutz? Oder geht beides? Darüber haben wir bei Dienstags direkt gesprochen.
Der Wald als "Grüne Lunge", Erholungsort, Wirtschaftsraum und Sinnbild für Diversität in Flora und Fauna gerät zunehmend in Schieflage. Seit Jahren kämpfen Sachsens Forstleute mit zahlreichen Herausforderungen: Baumbestände werden immer älter, sind zerfressen vom Borkenkäfer und teils heftigen Stürmen ausgesetzt. Durch die Hitzesommer der letzten Jahre sind hektarweise Waldgebiet mehreren Bränden zum Opfer gefallen, wie zuletzt im Nationalpark Sächsische Schweiz. Mehr als 17 Prozent der sächsischen Waldflächen sind geschädigt (Quelle: Sachsen.de). Immer dringender wird die Frage, wie wir unsere Wälder erhalten können.
Wälder werden zunehmend zu Flammenherden
Weil die Sommer in Deutschland niederschlagsärmer werden, trocknen die Waldgebiete zunehmend aus. Gut 784 Hektar Waldfläche sind so in diesem Jahr sachsenweit verbrannt - das entspricht ca. 1.100 Fußballfeldern. Schaut man auf die vergangenen Jahre, dann haben Waldbrände seit 2018 deutlich zugenommen - nicht nur in Sachsen sondern weltweit. Doch das sei erst die Spitze des Eisbergs, meint der Feuerökologe Johann Georg Goldammer, Direktor des Global Fire Monitoring Center der deutschen Max-Planck-Gesellschaft. Wegen des Klimawandels müsse sich ganz Mitteleuropa künftig auf mehr langanhaltende Dürreperioden einstellen, so Goldammer.
Wir hatten das Privileg, dass wir in Mitteleuropa in einem sehr ausgeglichenen Klima leben, […] dass die Wälder nicht diesen extremen Trockenzeiten und der Waldbrandbedrohung ausgesetzt waren. 2018 ist das Jahr, in dem wir die Signale der Klimaveränderung ganz deutlich sehen.
Waldumbau: Weniger Nadelbäume, mehr Laubbäume
Damit die Wälder mit den klimatischen Veränderungen besser zurechtkommen und gesunde Waldsysteme erhalten werden können, setzen Forstleute und Naturschützer seit mehreren Jahren auf aktiven Waldumbau. Nadelbaumarten wie Fichten und Kiefern machen in Sachsens Wäldern noch immer über 70 Prozent des Baumbestandes (Quelle: Sachsen.de) aus. Das ist vor allem in heißen Sommermonaten ein Problem, da sich Nadelwälder wegen geringer Beschattung schneller aufheizen und die Nadeln leicht entzündlich sind.
Wir werden andere Baumarten pflanzen, wir wollen einen Mischwald haben, der auch letzten Endes Schatten an den Boden bringt, damit es nicht wieder so leicht brennbar ist. Die Wälder kann man mit den Klimaveränderungen nicht allein lassen.
Im vergangenen Jahr bezifferte der Deutsche Forstwirtschaftsrat den materiellen Schaden durch Dürre und Borkenkäferbefall auf 12,5 Milliarden Euro seit 2018. Um solche Schäden künftig abzuwenden, ist die Marschrute für viele Forstleute klar: Weg von Monokulturen, hin zu Mischwäldern. Denn die gelten als resistenter gegen Extremwetterereignisse und Schädlingsbefall und speichern größere Wassermengen, die ihn vor schneller Austrocknung schützen. Dabei setzen Sachsens Forstleute vor allem auf Rotbuchen und verschiedene Eichen-Arten. Mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen in Höhe von rund 14 Millionen Euro hat der Staatsbetrieb Sachsenforst für die Aufforstung in diesem Jahr ca. 4,9 Millionen neue Baumpflanzungen geplant.
Nicht-heimische Baumarten gegen Saatgut-Knappheit?
Die Umsetzung des Waldumbaus ist langwierig und gestaltet sich problematisch, denn er ist kostspielig: Für einen deutschlandweiten Umbau schätzt der Deutsche Forstwirtschaftrat einen Investitionsumfang von rund 50 Milliarden Euro für z.B. Schutzzäune, Forstgerät und Jungbäume.
Doch der finanzielle Kraftakt nützt nichts, wenn das Saatgut für Baumsetzlinge knapp bemessen ist. Baumschulen in ganz Deutschland haben teils erhebliche Ernteausfälle beim Saatgut zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr hätten vor allem Laubbäume auch wegen der Extremwetterereignisse kaum bis gar keine Früchte ausgebildet, Restbestände seien nur vereinzelt vorrätig, bilanziert der Staatsbetrieb Sachsenforst. Noch können die Pflanzziele realisiert werden, da vereinzelte Baumarten wie Weiß-Tanne oder Bergahorn ein gutes Erntejahr hatten. Sollte sich das Saatgut in den nächsten Jahren allerdings weiter verknappen, müssten Forstleute bei der Aufforstung Abstriche machen.
Währenddessen geht der Blick mittlerweile auch in Nachbarländer, um den Waldumbau auch mit nicht-heimischen Baumarten voranzubringen. Douglasien, Roteichen oder Libanonzedern könnten im Mix mit Heimbeständen neue Wald-Ökosysteme etablieren, die sich besser an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen. Doch Naturschützer und Forstwissenschaftler warnen auch davor, dass invasive Baumarten heimische Bestände verdrängen könnten.
Forstbezirk Eibenstock macht es vor
Aktiver Waldumbau ist in Deutschland keine Idee seit den Dürre-Sommern, sondern ist in vielen Forstbezirken, Naturparks und Privatwäldern lang gelebte Praxis. Der Forstbezirk Eibenstock im Erzgebirge hat mit dem Waldumbau vor 30 Jahren begonnen und nimmt heute deutschlandweit eine Vorreiterstellung ein. Bei jährlichen Pflanzaktionen haben die Forstarbeiter seit den 1990er-Jahren gut 50 Millionen neue Bäume gepflanzt. Dabei setzt der Forstbezirk Erzgebirge auf eine breite Mischung an Baumarten, darunter Weißtannen, Rotbuchen und auch nicht-heimische Douglasien und eine konsequente Bejagung.
Unser Schlüssel zum Erfolg war und ist die Herstellung von waldverträglichen Wildbeständen. Gleichzeitig haben wir die durch den Freistaat Sachsen in den letzten 30 Jahren zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel auch genutzt und auf großer Fläche den Waldumbau ausgeführt. Das Ganze funktioniert aber nur als Team-Leistung.
Verbunden mit hohen Kosten konnten die Eibenstocker den hohen Fichtenbestand in einem gesunden Waldsystem erhalten. Mittlerweile verjüngt sich der Wald im Erzgebirge durch viele Schattenbaumarten wieder selbstständig, doch aktiver Waldumbau ist für die Eibenstocker weiter eine Generationenfrage. In diesem Jahr wurde der Forstbezirk um weitere 700.000 Jungbäume aufgestockt.
Würde das auch in anderen Forstbezirken Sachsens funktionieren? Wie weit können wir beim Waldumbau gehen? Was bedeutet das für die Besitzer, Anwohner und den Tourismus? Wie wird der Wald der Zukunft aussehen? Das fragen wir bei Dienstags Direkt.
Unsere Gäste:
- Reinhard Müller-Schönau | Vorstand Sächsischer Waldbesitzerverband, Privatwaldbesitzer & Brandbetroffener
Interviewpartner:
Johann Georg Goldammer | Direktor des Global Fire Monitoring Center der deutschen Max-Planck-Gesellschaft und Leiter des interdisziplinären Uno-Spezialistenteams für Waldbrände
Kai Bigge | Stadtwehrleiter Feuerwehr Bad Schandau
Thomas Kunack | Bürgermeister Bad Schandau, Vorstandmitglied Landestourismusverband Sachsen
Moderation:
Redaktionelle Mitarbeit: Lukas Meister
Leitung: Ines Meinhardt