Der Osten - Entdecke wo du lebst | MDR Fernsehen | 02.11.2021 | 21:00 Uhr Hamsterland - Requiem für einen Feldherrn
Hauptinhalt
Noch in den 1980er-Jahren galten Feldhamster hierzulande als Plage. Hamsterbauten wurden vergast und es gab Prämien für jedes gefangene Tier. Heutzutage ist der Feldhamster eines der seltensten Tiere Europas und seine Tage in Deutschland scheinen gezählt.
Wir schauen dem Feldhamster gerade beim Aussterben zu. Der Hamster wird, wenn es so weiter geht wie bisher, in den nächsten 15 Jahren in Deutschland ausgestorben sein. Und es gibt Modellierungen, dass der Hamster bis 2050 sogar weltweit ausgestorben ist.
In vielen Bundesländern gilt er bereits als ausgestorben. Die stärksten Bestände lassen sich neben Thüringen und Hessen vor allem in Sachsen-Anhalt noch finden. Und nirgendwo in Europa fühlen sich die bis zu ein halbes Kilogramm schweren Nager so wohl wie in der Magdeburger Börde. Die als Kornkammer Deutschlands bekannte Region bietet den Tieren üppige Nahrungsquellen. Die schweren Schwarzerde-Böden eignen sich perfekt zum Bau unterirdischer Vorratskammern. Unglaubliche Mengen an Getreide werden dort eingehamstert als Nahrung für die Winterzeit: Ein Tier schafft bis zu einem Zentner!
Leben mit dem Feldhamster
Jahrzehntelang bestimmten die Tiere damit auch das Leben auf den Dörfern, regierten und dirigierten die Landwirtschaft, entschieden über Ernten und Missernten. Trotzdem arrangierten sich die Bauern mit den Feldhamstern, denn ihre Felle zählten weltweit zu den wertvollsten der Pelzindustrie. So war die die Hamsterjagd bis zum Ende der DDR eine lukrative Einnahmequelle der Bördebauern. Allein im Bezirk Magdeburg gab es mehr als 400 Hamsterfänger, die jährlich mehr als zwei Millionen Tiere erlegten. Gleichzeitig war das Fangen und Ausgraben der Hamsterbaue eine beliebte Freizeitbeschäftigung für Groß und Klein.
Als Kinder haben wir in den Sommerferien den ganzen Tag lang Hamster gefangen. Die Felle wurden verkauft, das Getreide aus den Hamsterbauen an unsere Hühner verfüttert. Pro Hamster war das oft ein ganzer Zentner. Der Feldhamster ist in unserer Region ein Stück Kultur. Er gehört zur Börde einfach dazu.
Nach 1990 ändert sich das. Die Jagd auf die Tiere wird verboten. Hamsterfänger werden arbeitslos und anders als erwartet, steigen die Hamsterbestände nicht an, sondern rutschen fast explosionsartig in den Keller. Nach Schätzungen des NABU ist der Bestand um 99 Prozent zurückgegangen. Ein Hauptfeind ist die moderne Landwirtschaft. Die Umstellung von Sommer- auf Wintergetreide, der Einsatz von Pestiziden und die schnelle Bearbeitung mit sehr großen und effizienten Maschinen lassen dem Feldhamster nur noch wenig Spielraum zum Leben. Ihm mangelt es an Deckung vor Feinden und an Zeit, Vorräte für den Winter anzulegen.
In der Landwirtschaft ist es ähnlich wie beim Eigenheimbau. Es muss alles schnell gehen. Wir beginnen im Sommer zu bauen und wollen Weihnachten einziehen. Es muss schnell gehen, alles im rechten Winkel stehen und blitzeblank sein. Viele machen sich nicht mehr die Arbeit mit etwas Grün im Garten. Das wird zugepflastert. Ein Kiesbett drauf und fertig. In der Landwirtschaft ist das ähnlich. Es muss alles schnell gehen, sauber sein und blitzeblank aussehen. Für den Hamster ist das das große Problem.
Mittlerweile arbeiten Naturschützer und Wissenschaftler an Szenarien, die letzten noch freilebenden Feldhamster zu fangen, um so zumindest noch das Genpotential der Tierart zu erhalten. Die Reportage geht auf Spurensuche nach den letzten Feldhamstern der Magdeburger Börde, spricht mit ehemaligen Hamsterfängern und zeigt wie nicht nur Naturschützer, sondern auch viele Landwirte um die Rettung der letzten Tiere kämpfen.
Ein Film von Peter und Stefan Simank
Quelle: MDR/Anne Gehn-Zeller
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke wo du lebst | 02. November 2021 | 21:00 Uhr