Hörer machen Programm IW: Neuer Mindestlohn trotz Inflation auskömmlich
Hauptinhalt
Der gesetzliche Mindestlohn soll dafür sorgen, dass auch bei Geringverdienern das Geld zum Leben reicht. Derzeit liegt die Untergrenze bei 9,60 Euro pro Stunde. Die Ampel-Parteien wollen ihn auf 12 Euro anheben. MDR-AKTUELL-Hörer Jens Scheschinski aus Teutschenthal bei Halle befürchtet allerdings, dass der Mindestlohn nicht im Verhältnis der derzeitigen Teuerungsrate steht. Reicht der Mindestlohn wirklich, um über die Runden zu kommen?

- Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kann man von einem Zwölf-Euro-Mindestlohn sicher leben.
- Der aktuelle Mindestlohn von 9,60 Euro pro Stunde soll nach den Plänen der Ampel-Koalition bis zum Sommer stufenweise steigen.
- Die derzeitige Niedriglohngrenze liegt bei monatlich brutto 11,05 Euro – mit dem geplanten Mindestlohn liegt man also darüber.
Christoph Schröder ist der Einkommensexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er forscht zu Mindestlohn, Arbeitskosten und Kaufkraft. Und er sagt ganz klar: "Die Preisentwicklung spielt explizit nicht in die Mindestlohnentwicklung ein. Es gibt in diesem Fall keine Indexierung oder irgendeine Formel, die die Preissteigerungen berücksichtigen würde."
Maßstab für Mindestlohn sind Tariflöhne
Maßstab für den Mindestlohn seien nicht die Teuerungsraten bei Mieten, Energie oder Lebensmitteln, so Schröder. Maßstab seien vielmehr die Tariflöhne. Auf Grundlage der Lohnabschlüsse legt eine Expertenkommission den Mindestlohn fest. In dieser Kommission sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichberechtigt vertreten und müssen am Ende einen Kompromiss finden.
Christoph Schröder hält die dort ausgehandelten Beträge für auskömmlich: "Ich denke, man kann vom Mindestlohn leben. Sicherlich ist es so, dass die Preissteigerungen jetzt die Mindestlohnempfänger natürlich relativ stark treffen, weil sie weniger Reserven haben." Aber man werde 2022 durch die Beschlüsse der Mindestlohnkommission einen großen Sprung nach oben haben. "Und vereinbart ist auch, dass die Politik nochmal eingreift und den Mindestlohn noch höher setzt."
Derzeit liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze bei 9,60 Euro pro Stunde. Sie wird bis zum Sommer stufenweise angehoben. Am 1. Juli wird der Mindestlohn auf 10,45 Euro steigen und könnte dann schnell auf 12,00 Euro klettern. So jedenfalls steht es im gerade erst vorgelegten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP.
2.000 Euro brutto
Mario Bossler leitet am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg die "Arbeitsgruppe Mindestlohn". Er hat mit den zwölf Euro schon mal gerechnet und kommt damit über die sogenannte Armutsschwelle. "Das ist natürlich erst einmal ein sehr abstraktes statistisches Konzept." Sobald man weniger als zwei Drittel vom mittleren Lohn in der Bevölkerung verdiene, hätte man demnach einen Armutslohn. "Und mit einem Zwölf-Euro-Mindestlohn käme man in Vollzeit auf über 2.000 Euro brutto im Monat. Und dann würde man diese Armutsschwelle überschreiten."
Diese Schwelle oder auch Niedriglohngrenze liegt derzeit bei monatlich brutto 11,05 Euro. Wer mit seinem Stundenlohn diesen Wert nicht erreicht, gilt als arm. Und das könne trotz Mindestlohn sehr schnell passieren, erklärt Mario Bossler: "Wir machen schon auch die Erfahrung, dass der Mindestlohn nicht unbedingt auch immer zum Leben reicht – insbesondere dann, wenn die Leute nicht in Vollzeit arbeiten. Wenn Personen in Teilzeit oder in Minijobs sind, ist die Lohnsumme, die am Monatsende herauskommt, dementsprechend auch geringer."
Wenn dann auch noch alles teurer werde und die Inflationsrate kräftig steige, verstärke sich das Gefühl, mit dem Mindestlohn nicht über die Runden kommen zu können. Allerdings verweisen die Experten darauf, dass es für Härtefälle andere staatliche Unterstützung gebe und dass die Mindestlohnkommission durchaus Spielräume hätte und künftig Preissteigerungen stärker berücksichtigen könnte.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. Dezember 2021 | 06:24 Uhr