Logistikbranche Arbeitsministerin: Amazon soll für Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen haften
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Keine Pausen, Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden pro Tag und ständige Kontrolle - so berichten Paketfahrer von Subunternehmen, die für Amazon tätig sind, von ihrem Arbeitsalltag. Auch wenn die Fahrer nicht direkt bei Amazon angestellt sind, soll der Versandhändler mehr für sie haften, so Thüringens Arbeitsministerin Heike Werner (Linke).

- Thüringens Arbeitsministerin Werner fordert von Konzernen wie Amazon bessere Arbeitsbedingungen in Subunternehmen
- Bei Fehlverhalten drohen Paketfahrern Sperren, sie verdienen dann kein Geld
- Immer mehr Ratsuchende wenden sich an Beratungsstelle
Logistikunternehmen wie Amazon sollen für die Arbeitsbedingungen in ihren Subunternehmen stärker zur Verantwortung gezogen werden. Das fordert Thüringens Arbeitsministerin Heike Werner (Linke). Ähnlich wie in der Fleischindustrie solle es auch im Logistikbereich eine Mithaftung von Auftraggebern geben, sagte Werner MDR THÜRINGEN. Thüringen plädiere in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema "Arbeitsschutz" für eine entsprechende gesetzliche Regelung.
Prekäre Arbeitsbedingungen für Fahrer bei Amazon-Subunternehmen
Hintergrund der Forderung sind die zum Teil schwierigen Arbeitsbedingungen für Paketfahrer von Subunternehmen, die für den Online-Händler Amazon in Thüringen tätig sind. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN arbeiten Fahrer oft in Vollzeit, obwohl sie nur Teilzeitverträge abgeschlossen haben. Nach Angaben der Erfurter Beratungsstelle "Faire Integration" wird häufig in Krankheitsfällen oder bei Urlaub auch kein Lohn gezahlt. Berater Benjamin Heinrichs sagte MDR THÜRINGEN, solche Praktiken verstießen "gegen jedes Arbeitsrecht".
Fahrern drohen zum Teil lebenslange Sperren
Nach MDR-Recherchen werden Fahrer zudem gesperrt, wenn etwa Pakete verloren gehen, es zu Verkehrsunfällen kommt oder Kunden sich beschweren. Der betreffende Zusteller darf dann zeitweilig keine Pakete für Amazon ausliefern. In Einzelfällen kam es sogar zu lebenslangen Sperren durch Amazon. Die Fahrer können dann in keinem Kurierunternehmen mehr arbeiten, das für Amazon tätig ist.
Der Online-Konzern bestreitet, mit sogenannten Sperrlisten zu arbeiten. Wie ein Amazon-Sprecher MDR THÜRINGEN mitteilte, würden keine Blacklists bei Amazon geführt, weder für die eigenen Mitarbeiter noch für Beschäftigte anderer Unternehmen, wie etwa Fahrer, die bei Lieferpartnern angestellt sind. "Wir stellen jedoch nach nachgewiesenem groben Fehlverhalten die Inanspruchnahme des Dienstes eines Lieferservicepartners oder Fahrers ein, wenn wir der Meinung sind, dass dies im Interesse der Sicherheit, unserer Kunden, unserer Mitarbeiter oder der Gesellschaft ist", sagte der Sprecher.
Subunternehmen übernehmen Zustelldienst
Amazon vergibt Kurieraufträge größtenteils an Subunternehmen, deren Angestellte wiederum nicht bei dem Online-Konzern angestellt sind. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN beschäftigt der Konzern keine eigenen Kurierfahrer.
Amazon macht es sich an dieser Stelle einfach. Indem man das eben auslagert, schafft man einen Konkurrenzdruck zwischen den Subunternehmen, die sich dann gegenseitig unterbieten müssen, damit sie Aufträge von Amazon bekommen.
Um Arbeits-, Pausen- und Ruhezeiten besser kontrollieren zu können, fordert das Land Thüringen, dass bereits in Fahrzeugen ab 2,5 Tonnen elektronische Systeme installiert werden. Nur so könne kontrolliert werden, dass die Paketfahrer ähnlich wie Lkw-Fahrer Lenk- und Ruhezeiten auch einhalten würden.
Immer mehr Ratsuchende wenden sich an Beratungsstelle
"Es gibt keine Pause. Eine Hand am Lenkrad, eine Hand am Sandwich. Abbeißen vom Sandwich, dann sofort aussteigen. Das Paket abgeben beim Kunden und dann wieder das Gleiche", berichtet ein Paketfahrer, der anonym bleiben will. Stress, Druck und Zeitnot - dass viele Fahrer dem ausgesetzt sind, bestätigt auch Benjamin Heinrichs. Er berät in der Beratungsstelle "Faire Integration" in Erfurt Kurierfahrer bei Problemen mit dem Arbeitgeber und klärt sie über ihre Rechte als Arbeitnehmer auf.
"Bei Amazon tauchen eigentlich alle vorstellbaren und unvorstellbaren Probleme auf. Der simpelste Fall ist vielleicht eine unrechtmäßige Kündigung oder, dass die Leute zum Teil 15 Stunden am Tag gearbeitet haben, aber nur acht bezahlt bekommen", sagte Heinrichs. Mehr als 150 Ratsuchende haben sich seit dem Bau des Amazon-Verteilzentrums in Erfurt-Stotternheim im September 2019 an die Beratungsstelle gewandt. Tendenz steigend.
Fahrer werden mit Apps überwacht
Die Paketfahrer selbst werden von Amazon mit verschiedenen Apps "überwacht". Eine gibt Route und Auslieferungsstopps vor, eine andere erfasst, wo sich der Fahrer zu welchem Zeitpunkt aufhält, wie schnell er fährt und wie oft und stark er bremst. Laut Amazon soll so die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht werden. Derzeit wird jedoch vom Bayerischen Landesamt für Datenschutz geprüft, inwieweit dies zulässig ist.
Der Online-Händler baut seit 2017 seine eigene Lieferlogistik aus. Das Verteilzentrum in Erfurt gehört zur sogenannten letzten Meile. Von hier aus werden die Pakete an die Kunden zugestellt. Im Verteilzentrum selbst arbeiten mehr als 120 Mitarbeiter, viele als Leiharbeiter. In der Kurierbranche liefern in Thüringen etwa 600 Fahrer für Amazon Pakete aus. Die meisten von ihnen kommen aus EU-Staaten und Drittländern.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt - Die Story | 10. November 2021 | 20:45 Uhr
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