MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 11.01.2022 | 20:00 - 23:00 Uhr Der Blick auf den Osten: Immer noch notwendig oder inzwischen überflüssig?
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In der neuen Regierung sind mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Umweltministerin Steffi Lemke nur zwei Ministerposten mit Ostdeutschen besetzt. Kommt der Osten in der neuen Regierung zu kurz? Haben ostdeutsche Interessen vor diesem Hintergrund eine Chance in der Bundespolitik – und ist das überhaupt wichtig?
Was braucht der Osten? Provokant gefragt: Mehr Führungskräfte, weniger "Niedriglöhner" und eine Extra-Lektion in "Demokratie"? Muss der Diskurs über den Osten weiter intensiv geführt werden? Oder ist es nicht langsam Zeit für eine wirklich gesamtdeutsche Identität? Ist der Blick auf den Osten immer noch notwendig oder mittlerweile überflüssig? Darüber sprechen wir bei Dienstags direkt.
- Carsten Schneider, Ostbeaufragter (SPD)
- Dr. Julia Gabler, Professur Sozialer Wandel Hochschule Görlitz
- Kathrin Uhlemann, neue Oberbürgermeisterin der großen Kreisstadt Niesky in der Oberlausitz
- Tim Herden, ARD-Hauptstadtkorrespondent Berlin
Im Interview
- Dr. Nancy Aris, Landesbeauftragte zu Aufarbeitung der SED Diktatur in Sachsen
- Professor Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in Dresden
In der neuen Regierung sind mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Umweltministerin Steffi Lemke nur zwei Ministerposten mit Ostdeutschen besetzt. Kommt der Osten in der neuen Regierung zu kurz? Haben ostdeutsche Interessen vor diesem Hintergrund eine Chance in der Bundespolitik – und sind diese überhaupt wichtig? In den vergangenen Jahren sind die ostdeutschen Bundesländer mit ihren Besonderheiten durchaus stärker in den Fokus auch der bundesdeutschen Berichterstattung gerückt.
Großer Anteil an Geringverdienern
Bis heute ist der Anteil der Geringverdiener an den sozialversicherungspflichtig Vollbeschäftigten im Osten laut einer aktuellen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung überdurchschnittlich hoch. Auch wenn der Vergleich zwischen ländlichen Regionen und Industriestädten schwierig ist, sprechen die Zahlen trotzdem eine eigene Sprache: Während im Erzgebirgskreis (43,2 Prozent) oder in Görlitz (42,5 Prozent) fast die Hälfte der Vollbeschäftigten im unteren Lohnbereich arbeiteten, waren es in der Autostadt Wolfsburg lediglich 6,4 Prozent.
Wenig Konzernzentralen
Wirtschafts- und Sozialforscher berichten zudem seit Jahren, in den ostdeutschen Bundesländern gebe es nicht nur zu wenig Dax-Unternehmen und Konzernzentralen, sondern auch besondersviele ältere Menschen, die bald in Rente gehen oder es schon sind. Andererseits boomen ostdeutsche Städte wie Dresden, Leipzig, Erfurt, Jena und auch Greifswald. Erst jüngst erklärten Forscher des Dresdner Ifo-Instituts, die Wirtschaftsförderung könne hier eingestellt werden.
Ländlicher Raum im Osten
Gleichzeitig gilt vor allem der ländliche Raum in einigen ostdeutschen Regionen als Problembereich. Eine starke Abwanderung, eine schwache Wirtschaft, weniger junge Menschen, weniger Frauen und damit weniger Familien und Kinder. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider erklärte zu Beginn des Jahres im Interview mit dem Tagesspiegel, in vielen ostdeutschen Regionen gebe es nur noch Strukturen der Feuerwehren und Sportvereine. Wurde der ländliche Raum zu lange sich selbst überlassen? Wie gefährlich ist es, wenn Extremisten auf Stimmenfang gehen?
Spaltung oder Konsens?
Wie nah ist die Bundespolitik an den einzelnen Entwicklungen in ostdeutschen Kommunen? Reichen Förderrichtlinien, um Regionen eine Zukunft zu schenken und sie fit für die Digitalisierung zu machen? Sind die hohen AfD-Ergebnisse wirklich nur ein Ost-Phänomen und was sagen Wahlergebnisse überhaupt über Regionen und die Menschen, die da leben aus? Gibt ein starker Diskurs über den Osten vielen Ostdeutschen ein Stück ihres Selbstbewusstseins zurück oder spaltet er die Gesellschaft – oder vielleicht beides?
DDR-Vergangenheit und Erfahrungen der Transformation
Nach der jahrzehntelangen Aufarbeitung der DDR-Geschichte und SED-Diktatur sowie des Stasi-Apparats häuften sich in den vergangenen Jahren die Forderung zur Aufarbeitung der Transformation – also des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels – in den 90iger Jahren. Aktuell kommen die Herausforderungen der Pandemie und der globalen Wirtschaftsströme, der Digitalisierung und des Klimawandels hinzu. Ist für diese Herausforderungen der ostdeutsche Fokus nicht viel zu klein? Wie gelingt der Spagat zwischen Vergangenheitsbewältigung, Gegenwart und Zukunft?
Ist der Blick auf den Osten immer noch notwendig oder mittlerweile überflüssig? Darüber sprechen wir bei Dienstags direkt.
Moderation: Sina Peschke
Redaktionmitarbeit: Katrin Tominski
Redaktionsleitung: Ines Meinhardt
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Dienstags direkt | 11. Januar 2022 | 20:00 Uhr